back in Europe

Tag 86 – 23. August
23. August. Es ist Sonntagmorgen und 07:30 Uhr als das Handy zum Wecken klingelt. Müde quälen wir uns hoch, einerseits unwillig wegen gestern Abend andererseits weil es der Anfang vom Ende unserer Reise ist. Unser Tagesziel heute ist die russisch-lettische Grenze oder zumindest Velikiye Luki, knapp 600 km von Moskau entfernt. Doch erst einmal geht es in den Hotelkeller zum Frühstücken. Frisch gestärkt wird dann schnell Alles gepackt und zu den Moppeds geschleppt wo wir uns dann fertig machen. Schon ein komisches Gefühl, wir lassen John zurück und gleichzeitig endet hier auch die bisherige Freiheit, sich im Reisemodus zu bewegen, sprich Alles können und Nichts müssen. Tobias muss in 8 Tagen wieder arbeiten, also hilft es nichts, wir müssen uns auf den Weg machen. John kann erst am Montag seinen Beemer reparieren und will dann ebenfalls gen Heimat fahren. Da es ziemlich wahrscheinlich ist, dass er über Hamburg fährt wird er natürlich gleich zur Übernachtung eingeladen.
Dann wird es ernst, wir umarmen uns und mit einer kleinen Träne im Auge sitzen wir auf und starten die Motoren. Es ist jetzt Neun Uhr, vor uns liegen keine Pisten mehr, sondern zunächst die Stadtautobahn und dann eine wahrscheinlich gut gepflegte Fernstraße, die M 9. Also los geht’s! Kurzes Winken und schon verschwindet das Hotel und ein einsamer John im Rückspiegel. Da es Sonntag ist haben wir ziemlich freie Fahrt, anscheinend sind die Moskauer Langschläfer.
Auf der Stadtautobahn wird’s langsam voller, aber es geht doch recht zügig voran. Wir kommen am ehemaligen Olympia-Gelände vorbei und nach einer Stunde erreichen wir den Stadtrand von Moskau. Wider Erwarten haben wir keine maroden Plattenbauten oder ähnliches sehen können, anscheinend unterscheidet sich Moskau wirklich so gut wie gar nicht von anderen europäischen Großstädten. Wir fahren durch dicht besiedeltes hügeliges Gebiet mit vielen Neubaugebieten, sozusagen der Speckgürtel Moskaus. Einmal werden wir kurz mit der Vergangenheit konfrontiert, an der Autobahn weist ein Denkmal auf die Stelle hin, wo die Wehrmacht 1941 Moskau am nächsten kam. Ansonsten verläuft die Fahrt entspannt und wir ziehen gleichmäßig mit ca. 90 – 100 km/h unsere Bahn.
Beim Tanken machen wir die Bekanntschaft mit einem jungen Russen, der uns gleich auf Englisch anspricht. Ob wir Lust hätten eine Blick auf die nahegelegene Rennstrecke zu werden, dort läuft grad eine Motorradevent. Nach einigem Zögern bedanken wir uns für die nett gemeinte Einladung aber wir fahren lieber weiter, irgendwie scheint es uns doch nach Hause zu ziehen.
So langsam gelangen wir wieder in den Fahrmodus, es läuft einfach und wir können die Gedanken schweifen lassen und nach gut 300 Kilometer verändert sich dann die Landschaft, die Ortschaften werden seltener und kleiner, es gibt mehr Wald und Felder und die Straßen, die abzweigen sind häufig nur noch Pisten. Nur die M9 behält ihren guten Asphalt. Wegen der geringen Dichte von Tankstellen fahren wir lieber rechtzeitig zum Tanken raus und nutzen unsere Reichweite nicht aus, aber 300 km gehen immer.
So gegen Drei halten wir nach einer Raststätte aus und halten dort an, so langsam macht sich Hunger bemerkbar. Auch hier gilt, es wird das letzte Mal sein, dass wir eine russische Mahlzeit bestellen. Wir lassen es uns schmecken und während wir Essen tauchen ein paar Moppedfahrer auf, Russen die am Wochenende auf einem Bikerfestival bei St. Petersburg waren. Später sehen wir noch reichlich davon, die uns winkend entgegenkommen.
Gegen Fünf machen wir noch einmal eine kurze Pinkelpause, dabei zeigt uns der Blick aufs Navi, dass wir nur noch eine Stunde von der Grenze entfernt sind. Der kurze Kriegsrat hat als Ergebnis, dass wir doch heute noch versuchen wollen über die Grenze zu kommen.
Warum auch nicht, es ist noch zu früh zum Halten und bis zur Grenze ist weder eine Ortschaft noch ein Hotel auf der Karte eingetragen. Also wieder aufgesattelt und weiter geht’s. Mittlerweile umgibt uns fast nur noch Wald und sogar die Fahrzeuge werden immer weniger. Kurz vor der Grenze fangen dann die Lkw an sich zu stauen. Wir fahren dran vorbei und können kurz vorm Grenzübergang noch einmal preiswert voll tanken. Dann stehen wir vor dem Checkpoint.
Wie erwartet geht es auf der russischen Seite zügig voran, alle Grenzer sind freundlich und nach einer guten Viertelstunde stehen wir vor dem lettischen Checkpoint. Der guckt uns skeptisch an und begutachtet unsere Pässe intensiv, bevor er uns weiter zur Abfertigung fahren lässt. Hier erwarten wir eigentlich eine entspannte und lockere Abfertigung, schließlich sind wir wieder in der EU. Doch weit gefehlt, die lettischen Zöllner haben nicht nur das gesamte Gepäck kontrolliert, sondern wir mussten noch eine fast hochnotpeinliche Befragung über uns ergehen lassen, sondern dazu noch eine Erklärung ausfüllen, wieviel Sprit wir in den Tanks haben, ob Lebensmittel an Bord sind und die Grüne Versicherungskarte vorlegen. Zwar waren die Jungs freundlich, aber distanziert und irgendwie fühlten wir uns gar nicht wohl, das hatten wir uns anders vorgestellt! Aber egal, auch das ging vorbei und es ist ja der letzte Grenzübergang für uns in dieser Art.
Nachdem wir die Grenze hinter uns gelassen haben warfen wir einen Blick auf das Navi und entscheiden uns, die Hauptstraße zu verlassen und uns auf kleinen Nebenstraßen weiter gen Westen nach Litauen zu bewegen. Diese Sträßchen entpuppten sich als herrliche Schotterstrecken und zum Abschluss suchten wir uns noch ein stilles Plätzchen, wo wir das letzte Mal unsere Zelte aufschlugen. Viel zu Essen hatten wir nicht mehr, aber es gab für jeden noch ein Snickers und eine Tüte Pistazien, dazu unseren gewohnten Mac-Kaffee. Wir sind dann mit Einbruch der Dunkelheit in den Zelten verschwunden.

Europa und der hohe Norden
The End

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